Ich mach kein Marketing – Künstler-Atelier Brigitte Meßmer

24. Juni 2022 – „Ich mach kein Marketing“ – Künstler-Atelier Brigitte Meßmer

„Ich mach kein Marketing.“

Mit diesem Satz begrüßte uns die Malerin Brigitte Meßmer. Überraschung machte sich breit. War das nicht der Grund für unseren Besuch in ihrem Atelier? Wir wollten wissen, wie Künstler Interesse wecken für ihre Werke, um sie schließlich auch zu verkaufen. Im Laufe des Abends sollten wir erfahren, für welchen Weg die Malerin sich entschieden hat.

Den Ausschlag für eines ihrer umfangreichen Werke gab der Preis, den die katholische Kirche ihr zugesprochen hatte, um ein Gemälde zu erstellen. Was hätte näher gelegen, als die kirchlichen Vertreter nach ihren Vorstellungen zu fragen? Doch genau das tat Brigitte Meßmer nicht: Was will ich? Was ist mir wichtig? Ihr war das Bild der Frau in der Kirche ein Anliegen. Deshalb schuf sie farbenprächtige, zwei Meter hohe Darstellungen der zwölf Archetypen in weiblicher Ausprägung: Tochter, Jungfrau, Blutsschwester, Geliebte, Mutter, Hebamme, Amazone, Königin, Sucherin, Vermittlerin, weise Alte, dunkle Mutter.*

Während alleine schon das Betrachten der Gemälde bei jedem von uns andere Assoziationen auslöste, verstärkte oder veränderte sich der jeweilige Blickwinkel aufgrund der Beschreibungen und vor allem der Fragenimpulse, die Brigitte Meßmer damit verband. Wo finde ich mich wieder? Welche Anteile lebe ich, beruflich wie privat? Lass ich mein inneres Kind auch heute noch zu? Bin ich neugierig, kann ich noch ausgelassen sein? Wie bin ich als Chef? Hab ich die Zügel locker in der Hand oder halte ich sie straff? Hab ich Rückgrat und trage ich meinen Kopf so, dass die Krone nicht herunterfällt? Das wäre der Fall, wenn ich mich zu stark beuge oder aber die Nase zu hoch trage.

Als Brigitte Meßmer ihr Werk den Auftraggebern präsentierte, erntete sie Ablehnung und Kritik. Man würde die Bilder im Altarraum nur genehmigen, wenn die Geliebte und die Amazone entfernt würden. Diese Darstellungen gingen der Jury zu weit. Welches Glück, dass sie einen Fürsprecher fand, der sich dafür einsetzte, dass alle zwölf Archetypen ohne Einschränkung ihren Platz fanden! Heute ist diese Arbeit Teil von großen Events, Ausstellungen und Projekten, aber auch häufig Grundlage für die Kurse der Malerin.

Nicht dem Mainstream folgen und sich anpassen, sondern auf den eigenen Impuls hören, authentisch sein, offen und ehrlich, sich mit Leidenschaft für eine Idee einsetzen und auch Widerstände aushalten, dafür hat sich Brigitte Meßmer entschieden und das macht ihre Einzigartigkeit und ihren Erfolg aus.

Mit Plastikschürzen und Spachteln ausgerüstet durften wir nach der Diskussion unseren eigenen Impulsen folgen und aus den Farbtupfern auf einer langen Papierbahn neue Mischungen und Strukturen zaubern. Einen selbst gewählten Ausschnitt aus dem gemeinsamen Werks  nahmen wir als Erinnerung an diesen informativen und unterhaltsamen Abend mit.

 

*(Anmerkung: Es gibt natürlich auch die männliche Ausprägung mit anderen Namen. Wer im Internet recherchiert, wird auf zahlreiche Beispiele dieser Archetypen als Marketinginstrument, besonders im Storytelling, stoßen.)


Text: Ursula Kraemer
Fotos: Paul Kistner